Odile Endres: TEXTPROBEN

 

 

 

Der Inselkrimi Der Haß in seinen Augen
1995

Helga war mit ihren Nerven am Ende. Ihr war übel. Zum dritten Mal war die Maschine in ein Luftloch abgesackt. Auch ihr Magen sank abwärts. Dann spürte sie, wie er sich zu einem unentwirrbaren Knoten zusammenknüllte. Ängstlich wanderte ihr Blick aus dem Fenster, zu den zitternden Tragflächen. Sie sahen aus, als würden sie gleich abfallen.

Doch vorerst brachen sie nicht ab, die Maschine blieb in der Luft und flog jetzt wieder völlig ruhig. Sie glitt durch einen blauen Seidentuchhimmel, den lila Streifen durchwoben, letzte Spuren der Morgendämmerung.

(...)

Warum war ihr Mann auch so darauf versessen, im Winter in den Süden zu fliegen. Die Idee mit dem Süden war ja ganz gut, aber das Fliegen. Schon nächtelang vorher konnte sie nicht mehr richtig schlafen und in der Nacht vor dem Flug tat sie überhaupt kein Auge zu. Ihr Körper fühlte sich an, als sei sie zehn Tage auf einem Maulesel durch die Berge geritten. So jedenfalls stellte sie sich das vor. Von neuem überrollte sie eine Woge der Angst.

(...)

Die Angst lässt einen Augenblick nach und Helga beobachtet ihren Mann

 

© Odile Endres, 1995

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