Aperçu (2005)

Vorbemerkung von 2016

Inwzischen hat die Netzwirklichkkeit die Netzliteratur überholt. Die alten Themen der Netzliteratur: das Netz selbst, das Spiel mit den Identitäten, sind von anderen aufgenommen, weitergesponnen, vermarktet worden.  Die Werbung macht heute coolere Netzliteratur als die Netzliteraten. Aber es mag interessant sein, diese Momentaufnahme von 2005 zu lesen und über die geradezu lichtgeschwindigkeitsschnellen Veränderungen im Internet zu sinnieren.

 

Am Anfang war das Wort und das unbewegte Bild. Heute ist Internet-Literatur mehr in Bewegung denn je. Im besten Fall ist sie zum  multimedialen Kunstwerk geworden. Flash-Filme bestimmen die aktuellen Produktionen. Aber ist die Internet-Literatur deshalb bewegender geworden?
Die Internet-Stücke sind aus der Stille der Literatur ausgebrochen. Vielleicht wird man später einmal diese Entwicklung mit dem Übergang von der Stummfilmzeit in die Ton-Zeit vergleichen. Dennoch ist Internet-Literatur weder Film noch Hörspiel. Welche Funktion hat dann der Ton? Wie phantasievoll werden die technischen Mittel eingesetzt? 

Gibt es eine Grenze, an der Internet-Literatur aufhört, Internet-Literatur zu sein? Oder ist sie dazu da, alle Grenzen zu sprengen?

Programmierung und neue Programme lassen ästhetisch anspruchsvolle Werke entstehen. Sprache, das wesentliche Handwerkszeug der SchriftstellerInnen, tritt in den Hintergrund. Es ist ein Mittel von vielen. Um mit den neuesten Entwicklungen Schritt zu halten, müssen die AutorInnen sich immer mehr Fähigkeiten aneignen: Grafisches Design, Programmierung, die Produktion von Audios, die Beherrschung von Bild- und Filmprogrammen. Die logische Folge davon scheint zu sein, dass anspruchsvolle  Internet-Literatur-Produktion nur noch in strenger Arbeitsteilung entstehen kann: Die SchriftstellerIn schreibt, die Designerin gestaltet, die ProgrammiererIn übernimmt die technische Realisierung. Aber ist das der richtige Weg?

Fragen, die ebenso zu diskutieren sind wie diejenige nach den komplexen Hypertextstrukturen, die sich in vielen neueren Arbeiten zu nichts verflüchtigt haben. Oder diejenige, ob die Interaktivität in den Tiefen des Cyberspace verschwindet. 

Die Antworten sind weder einfach noch eindeutig, aber eines ist gewiss: Das Schreiben von Internet-Literatur ist immer noch ein Abenteuer.

 

 

© Odile Endres - Letzte Änderung: 19.05.2016


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