William Cody Maher
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FÜR JOHN LENNON
8. Dezember 1980
von William Cody Maher

Der Film beginnt
mit einer langsamen Kamerafahrt
an einem Heer von Trauernden vorbei
die gerade den Central Park verlassen
im Vordergrund
die junge Reporterin
ihr Gesicht gezeichnet von den
Mondspaziergängen / Krawallen / Attentaten
eines Jahrzehnts
die Fernsehkameras
schwenken in Zeitlupe
an einem schmiedeeisernen Tor hoch
mit Blumen geschmückt
so gespenstisch
wie die Überbleibsel des letzten Jahrzehnts
Das Dakota Hotel taucht auf
aus dem Wind und Staub
der 72. Straße
die zu erwartenden schwarzen Limousinen
fahren im Regen uptown
der Polizeiwagen rast
zum Roosevelt Hospital
ein früher Morgenwind
bläst die Schlagzeilen
die 23. Straße hinauf
am Chelsea Hotel vorbei
ein Krankenwagen wartet
allein im Regen
Der Dichter
auf dem Weg zum Guggenheim Museum
um sich die Expressionisten anzusehen
Hubschrauber kreisen
über einem Heer von Trauernden
die Köpfe gesenkt
in zehnminütigem Schweigen
gefolgt von
Beethovens Ode an die Freude
ein Junge versteckt sich
furchtsam unter den Laken
ein rotes Transistorradio
am Ohr
und jetzt die Nachrichten
hastige Reden
vom Dach der Botschaft in Saigon
Polizisten vertraut wie Geliebte
stehen ehern
heroisch hinter blauen Barrikaden
auf einem Hügel im Regen
über die Trauernden hinweg blickend
die über's Fernsehen kamen
aus der ganzen Welt
die schwarzen Limousinen
an der Spitze
die Witwe und das Kind
hinter dem Sarg
mit der Amerikanischen Flagge geschmückt
die aufsteigt
aus dem Wind und Staub
Hubschrauber
rutschen von den Decks
der Flugzeugträger
ins Rote Meer
die Trauernden säumen die Straßen
die Köpfe in
die Linsen der Kameras
gesenkt
im Traum der letzten Nacht
lachte der Verkäufer
hielt ein Radio
ans Ohr eines Kindes
das die Zukunft sendet
ja sagte der Junge
aber haben Sie nicht ein billigeres
Der Dichter
geht die Lower East Side hinunter
sitzt an der Theke
des Kiew Restaurants
es ist Dienstag
Kohlsuppe
In 22 Minuten bringen wir Ihnen die Welt
die Reporterin
draußen vor dem Hotel-Eingang
die Köpfe der Trauernden
in die Kerzen im Regen
gesenkt
Der Dichter
geht auf den Central Park zu
an den Weihnachts-Auslagen vorbei
japanisches Radio zu verkaufen
ein Junge auf einer sonnenbeschienenen Veranda
ein Radio am Ohr
fällt hilflos hinunter
durch den Wind und Staub
der gegen Polizei-Barrikaden geblasen wird
Der Verkäufer lacht
der Dichter wird an den Haaren
über die Decks der U.S.S Coral Sea gezogen
umringt von aufgebrachten Marinesoldaten
was sagtest du über die Flagge Junge
ich sagte wir sollten nicht dort drüben sein
er hat den Namen der Flagge in den Schmutz gezogen Sir
ich sagte wir hatten kein Recht unschuldige Menschen zu töten
der Verkäufer lacht
die Händler verkaufen Popcorn und Bier
die Hubschrauber fallen
hilflos in Zeitlupe
ins Rote Meer
ein Junge versteckt sich
unter den Laken
ein rotes Transistorradio
am Ohr
betet darum dass Bobby Kennedy nicht stirbt
der Sarg taucht auf
aus dem Wind und Staub
der Überbleibsel eines Jahrzehnts
der Kopf des Dichters
wie eine Flagge gesenkt
in zehnminütigem Schweigen
das Gesicht der jungen Reporterin
vertraut wie das einer Geliebten
die am Tor steht
mit Blumen geschmückt
Krawalle im Regen
Mondspaziergänge in der Dämmerung
Attentate im Wind
und jetzt die Nachrichten .....


Übersetzung aus dem Amerikanischen: B. Odile Endres
Copyright Original © by William Cody Maher. All rights reserved.