Was ist Internet-Literatur?

Die Interaktion von Text und Bild


Die Interaktion von Text und Bild beschränkt sich nicht darauf, eine neue ästhetische Dimension zu schaffen. Sie kann sehr viel weiter gehen und vor allem auf einer impliziten Ebene stattfinden. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich daran erinnern, daß in Texten oft mit Metaphern gearbeitet wird, meist sogar mit bestimmten Metaphernbereichen. Metaphern sind - wenn wir eine ganz einfache Definition bemühen - Abbildungen auf einen Bildbereich, also sprachliche Bilder. Und da liegt die Verbindung. Das Bild, d.h. die entsprechende Grafik, kann die im Text verwendeten Metaphern oder den Metapher-Kern-Bereich im ganz konkreten Sinne verbildlichen, sichtbar machen.

Der Prozeß kann aber auch - auf die Produktion bezogen - umgekehrt funktionieren: Das verwendete Bild kann im Schaffen der Schreibenden einen Metaphernbereich initiieren und damit Einfluß auf die Textgestaltung haben. Dies gilt sowohl für die sprachliche als auch für die inhaltliche Realisierung. Im Idealfall findet der Prozeß Bild/Text in beiden Richtungen statt, so daß ein Synergie-Effekt entsteht, und der kreative Prozeß im Verhältnis zum herkömmlichen Schreiben erweitert wird. Auf dem "langen Weg zur Pizzeria Universo" etwa löst das Bild einer "Pizza TerraX" inklusive ihrer Zutaten eine "Amphibien-Metaphern-Serie" aus. Ganz im Gegensatz zum Bild der "Pizza Cyberspace", die den Bereich des Virtuellen eröffnet. Die Internet-Literatur-Produktion ermöglicht ein Verweben von Text und Bild, das in diesem Maß bisher nicht möglich war.

Zusammenfassend läßt sich sagen:

  • Das Bild kann auf Textebene weitergehen und/oder der Text sich im Bild fortsetzen.
  • Internet-Literatur kann die Bildhaftigkeit der Sprache verdeutlichen, spürbar machen, dafür sensibilisieren

Dies ist auch ein Plädoyer dafür, Texte aufmerksam zu lesen, sprachliche Feinheiten zu beachten, und die Interaktion von Text und Bild zu sehen. Da sind die LeserInnen gefragt.

© Odile Endres 1998