SENZA TUTTO

Ich erstarrte zur Salzsäule, nur um eine Sekunde später in einen anderen Aggregatzustand überzugehen und dahinzuschmelzen. Nicht nur die Pizza war unverpackt. Auch der Pizzabote war senza tutto. Ohne alles, wenn man von der Pizza absah. Sie war alles, was er trug. Sein Anblick haute mich um. Aus seinen Augen sprühte ein silberner Schimmer und auf seiner Haut lag ein silberner Glanz. Ich blieb stumm, obwohl ich ihn am liebsten gefragt hätte, ob auch eine Kombination von Senza Tutto und Tutto Incluso möglich sei. Ich fühlte mich wie ein Elektron, das um den Protonenkern rast, in unentwirrbaren Ellipsen und Schleifen, und mir war so schwindlig, wie einem Elektron nur sein konnte.

"Ihre Pizza wird kalt", sagte er zu mir, die ich ihn immer noch anstarrte, während er mich in schimmernden Nebel hüllte mit seinem Silberblick, wodurch die schlingernde Bewegung der Elektronen sich um ein Vielfaches beschleunigte. Ich bekam eine hektische Ahnung davon, wie sich Lichtgeschwindigkeit anfühlen mußte, was aber lange noch nicht hieß, daß ich mich ihr anpassen konnte.

Noch immer war ich unfähig, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Dafür rührte sich etwas anderes. Aber nicht bei mir. Da hätte es auch nichts genutzt, wenn ich eine Pizza Feigenblatt bestellt hätte. Hastig drehte ich mich um, und sagte, ich wolle Geld holen. Ich fühlte mich nicht venushaft genug, um diesen Adonis, um ihn, ach, es war besser, nicht dran zu denken. Ich bemühte mich, nicht in Ellipsen zu gehen, war aber nicht sicher, ob mir das gelang. Mit zitternden Händen suchte ich nach dem Geldbeutel. Es dauerte lange, bis ich ihn fand. Als ich Lichtjahre später zur Tür zurückkehrte, stand da nur noch die Pizza auf dem Boden. Und wenige Augenblicke später war auch sie verschwunden. Pizza ohne alles.

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Text & Grafik: © Odile Endres 1996